Die Geschichte über die fehlerhaft eingestellte Blitzeranlage am Heumarer Dreieck Richtung Köln hat Schlagzeilen gemacht. Jetzt gibt es weitere Einzelheiten und Zahlen. Eine Rückerstattung wird es jedoch wohl nicht geben. Meine persönlichen Erfahrungen mit der Bagatellgrenze.
Tja, nach der vierjährigen Pause auf orrl.de geht es langsam weiter 😉 Eine Geschichte hat vor Kurzem Schlagzeilen gemacht und wieder mal bei mir die Frage aufgeworfen, wie lange noch die Milchkuh der Nation in dem hohen Tempo gemolken wird.
Was ist passiert?
Wie ist es dazu gekommen, dass der Blitzer auf der A3 Fahrtrichtung Köln den einfachen Autofahrern Schäden in zweistelliger Millionenhöhe zugefügt hat? Express schreibt:
In der Baustelle wurde Tempolimit 60 angeordnet, die Stadt musste den Blitzer darauf einstellen. Die neuen Verkehrsschilder wurden jedoch vom Landesbetrieb Straßen NRW aufgestellt. Zwischen Baustelle und Blitzer wurden keine Tempolimitschilder angebracht, die Fahrer durften somit wieder auf Tempo 80 beschleunigen… und wurden geblitzt.
10 Millionen Euro zu viel
- Im Februar 2016 wurde die Blitzeranlage neu eingestellt. Erst im Dezember wurde Fehler behoben
- Ca. 400.000 falsche Knöllchen hat die Blitzeranlage auf der A3 am Dreieck Heumar von Februar bis September 2016 verursacht
- Die Stadt hat ca. 10 Millionen Euro zu viel von den Autofahrern kassiert, die, nebenbei bemerkt, ohnehin Steuerzahler sind
Unter einem Rechtsstaat ist ein Staat zu verstehen, bei dem das Handeln von Regierung und Verwaltung durch geltende Gesetze beschränkt und gelenkt wird. Dadurch soll staatlicher Willkür vorgebeugt werden.
– Definition eines Rechtsstaates
Fünfzigtausend Mal
Wer fährt schon 60, wenn 80 erlaubt ist? Da musste wohl jeder zweite geblitzt worden sein. Schnell im Bußgeldkatalog bei Geschwindigkeitsüberschreitung nachgeschaut, bei der Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 16 bis 20 km/h beträgt die Geldstrafe 30 EUR.
400.000 Knöllchen in den acht Monaten ergeben durchschnittlich 50.000 Knöllchen monatlich mehr als gewöhnlich, durch eine einzige Blizeranlage. Fünfzigtausend Mal und das sollte keinem in der Stadtverwaltung aufgefallen sein?
Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht doch nicht so viel ist und nach einer Bemessungsgrundlage geschaut. Bei Express wurde ich auch in der Frage fündig –
„Zehn der für 2016 rund 13,1 Millionen Euro aus dem Blitzer hat die Stadt durch die Fehler von Bezirksregierung und Straßen NRW zu viel kassiert“
Das heißt also, 3.1 Millionen hätte man „ordentlich“ eingenommen, stattdessen klingelte die Kasse und es wurden statt 3.1 Millionen plötzlich 13.1. Das ist ein Anstieg um 420%. 8 Monate lang. Ein geiles Geschäft.
Warum es keine Rückerstattung geben wird und meine Erfahrungen mit der Bagatellgrenze
„Die Verfahren sind rechtswirksam und endgültig abgeschlossen“, teilte die Stadt schriftlich mit. Stadtdirektor Keller „Nur in Fällen, die vor Gericht entschieden worden sind, ist eine Wiederaufnahme möglich. Und dies muss bei Gericht beantragt werden.“
Ganz schön frech, nicht wahr? Es geht aber noch weiter
Mit Erstattungen dürfte aber kaum ein Blitz-Opfer rechnen: Bei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gibt es laut Gesetz hohe Anforderungen, bei Vorliegen neuer Tatsachen eine Wiederaufnahme zu betreiben – etwa „Bagatellgrenzen“ im dreistelligen Eurobereich. „Nach erster Übersicht“ kommen laut Stadt deutlich unter 0,5 Prozent der Fälle überhaupt dafür in Betracht – Quelle: http://www.express.de/25672634
Meine persönlichen Erfahrungen mit der Bagatellgrenze
Im Jahr 2010 (oder 2011) habe ich meine schwer kranke Mama in der Heidelberger Uni-Klinik so oft es ging besucht. In der Nähe gab es einen Lidl, wo ich ein Mal unglücklicherweise eingekauft habe. Ohne Böses zu ahnen, parkte ich auf einem großen(!) Parkplatz für mindestens 30-40 Autos, direkt vor dem Laden, in einer Art Hof. Ein typisches Bild von einem kostenlosen Parkplatz vor einem Ladenlokal. Die Einfahrtsschranke war auf, keiner hat mich zu einer Zahlung aufgefordert etc.
Ich staunte nicht schlecht, als ich 15 Minuten später ein Knöllchen an der Windschutzscheibe meines Autos entdeckt habe. Ein paar Wochen später flatterte eine Zahlungsaufforderung per Post, dass ich mein Auto auf einem Privatparkplatz geparkt haben soll, ohne zu bezahlen. Bezahlen konnte ich anscheinend an einem Parkscheinautomaten, der in der ziemlichen Entfernung stand und den ich nicht bemerkt habe (weil ich vor allem nach keinem Parkscheinautomaten gesucht habe!)
Mein Anwalt legte einen Widerspruch ein, mit der offensichtlichen Begründung, dass der „private“ Parkplatz nicht als solcher zu erkennen war und dass die Strafe deutlich überzogen war und dass das alles Betrug ist etc.
Kurzerhand fand ein Gerichtsverfahren in Heidelberg statt, ich wurde schließlich zu einer Zahlung von einer Strafe von insgesamt einem Betrag von knapp unter 200 Euro verurteilt.
Ich bin sicherlich nicht der erste gewesen. Ich habe nicht weiter recherchiert, ob es Verbindungen zwischen dem Richter und dem Parkplatzbesitzer bestanden.
Für mich bedeutete das schließlich, dass es keine Möglichkeit mehr gab, einen Widerspruch einzulegen oder dagegen zu klagen, weil diese Strafe von knapp unter 200 Euro unter der Bagatellgrenze lag. Das Urteil endgültig und nicht mehr anfechtbar. Ein mieses Gefühl.
Fragen:
Es gibt im Wesentlichen eine einzige Frage: werden Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen und was muss passieren, damit das ergaunerte Geld seine Besitzer wieder findet?
Des Weiteren würde mich interessieren, was nun andere Städte davon abhalten soll, die Blitzer fehlerhaft einzustellen um die klammen Stadtkassen zu füllen und ob es ein effektives Mittel gibt, der Masche einen Riegel vorzuschieben.