Mondlichtserenade
Armin Petras feiert in Bochum mit „Ein Mond für die Beladenen“ eine umjubelte Theaterpremiere.
Eine sehr gelungene, noch nie veröffentlichte Theaterkritik für die Aufführung eines Stückes von Eugene O´Neill. Vom Journalist und Freund Marcelus Lachhein
Haben Sie sich schon einmal gefragt was die Matrix ist? Einfach nur Mathematik, eine klare Struktur, wie ein Schachbrettmuster – auf jedem Feld nur Ziffern, nur 1 oder 0…..101000110. Ist so das Leben?
Nach Inszenierungen des Dramas von Eugene 0´Neill bei den Ruhr-Festspielen, in Frankfurt und Mainz hat nun auch mit Regisseur Armin Petras das Stück Bochum erreicht.
Alles fing so beschaulich an. Das Bühnenbild, der bis auf den letzten Platz besetzten Premiere des Bochumer Schauspielhauses, glich einem Idyll. Eine sehr aufgeräumte Bühne, dessen Boden mit gleichförmigen, schachbrettartig angeordneten Steinplatten ausgelegt war, in mitten einer Berglandschaft.
Das Leben des Eugene O´Neill war alles andere als strukturiert und gradlinig. Von der eigenen morphiumabhängigen Mutter nicht anerkannt, der Bruder alkoholkrank, fand sich 0´Neill als junger Mann immer am Rande der Gesellschaft wieder. Immer wieder griff O`Neill in seinen Stücken die innerlich zerbrochenen Figuren auf, die durch Selbstbetrug und Rausch versuchen dem Leben zu entfliehen. Mit radikaler Ehrlichkeit sucht er nach den Abgründen menschlichen Handelns. Eugene 0´Neill war zeitlebens durch die alptraumhafte Unsicherheit seiner Kindheit gefangen.
James Tyrone Jr. (Christian Kuchenbuch) ist reich, ein Trinker, Frauenheld und Eigentümer einer abgelegenen Farm, die völlig unfruchtbar und wertlos zu sein scheint. Der Pächter Phil Hogan (Thomas Anzenhofer), der ebenfalls ein Trunkenbold und ohne Moral ist, lebt mit seiner schönen Tochter Josie (Anja Schneider) auf der Farm und zahlt nie seine Pacht. Josie kann sich die Männer nur durch ihr burschikoses Auftreten und die Art sich zu kleiden vom Leib halten. Die einzige wahre Liebe, die Josie jedoch geheim hält, ist die zu James. Schon bald kündigen sich dunkle Wolken am Himmel über Phils und Josies Zuhause an. Gerüchte machen die Runde, dass der durch Öl reich gewordene Eigentümer der Nachbarfarm T. Stedman Harder, gespielt von Alexander Maria Schmidt, James ein Angebot zum Kauf der Farm machen möchte, dass er kaum ausschlagen kann. So in seiner Existenz bedroht, sieht Phil den einzigen
Ausweg darin seine Tochter als Sexobjekt einzusetzen, um James vom etwaigen Verkauf der Farm abzubringen. In einer mondhellen Nacht zwischen Josie und James, finden beide aber nicht zueinander. James betäubt sich mit Alkohol und die zum Vamp mutierte Josie, die sich in der Nacht prostituieren sollte, bleibt alles erspart. Völlig unerwartet stellt sich heraus, dass James seine Farm zu keinem Zeitpunkt verkaufen wollte. Alles wäre umsonst gewesen.
Gekonnt stellt Regisseur Armin Petras die Hilflosigkeit „beider Beladenen“ dar. Auf der einen Seite steht die Macht und das Geld, verkörpert vom reichen Ölbaron, auf der anderen Seite die Moral, die auf die Probe gestellt wird. Beide sind zum Spielball geworden: James in seinem Eskapismus gefangen, völlig haltlos und alkoholkrank. Josie, sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst und gefangen mit ihrem Vater in einer hinterweltlerischen Umgebung, aus der keine Flucht möglich scheint. Anja Schneiders Wandlungsfähigkeit auf der Bühne ist packend. Da ist zum einen das Mauerblümchen, das anfänglich in Bäuerinnenoutfit mit einer unbeholfenen Sprache den Eindruck einer geistig zurückgebliebenen hinterlässt, aber sehr schnell klar wird, dass sie sich so zum Eigenschutz verhält, zum anderen die schöne Frau. Anja Schneider spielt sehr körperlich, schreit laut und rückt immer wieder die Steinplatten zurecht, um Ordnung im Chaos zu halten. Petras schafft es in seiner Inszenierung niemals einen Zweifel über die innere Zerrissenheit seiner Charaktere zu lassen.
Thomas Anzenhofer ist einer der bekannteren Gesichter des Ensembles. Man kennt ihn aus aktionlastigen TV-Produktionen, wie der Clown oder Balko. In seiner Rolle als Phil kann er voll überzeugen, was möglicherweise daran liegt, dass er mit stoischer Ruhe einen Gegenpart zu Josie bildet. Der Mann hat Ausstrahlung und Bühnenpräsenz. Nicht nur das. Der Mann hat auch Stimme. Anzenhofer singt Johnny Cash Songs und Didos „White Flag“ in seiner eigenen Countryinterpretation auf der Bühne, dass man im Saal des Schauspielhauses hätte eine Stecknadel fallen hören können. Da verwundert es nicht, dass der bekennende Johnny Cash Fan auch Konzerte gibt, bei denen er die Songs des verstorbenen Musikers singt. Bei der Stimme.
Christian Kuchenbuch in seiner Rolle als James trägt das Stück durch sein körperliches Spiel, getrieben von seinen Alkoholexessen, balanciert er bisweilen von einer Bühnenseite zur anderen, ohne auch nur den Boden zu berühren auf zwei Whiskygläsern. Als Josie in der geplanten Liebesnacht
erkennt, dass James sie nicht lieben kann sondern nur seinen Alkohol, ergießen sich literweise Whiskyflaschen über ihrem Körper, die James wie ein Getriebener von ihr trinkt. Hier arbeitet Petras mit hoher Symbolkraft und zeichnet so Bilder, die wirken. Überhaupt lässt Petras in seiner Inszenierung das Publikum zu keinem Zeitpunkt ratlos zurück. Als Satellit und quasi ständig über allem, als Damoklesschwert schwebend, ist Alexander Maria Schmidt in seiner Rolle als T. Stedman Harder. Mal hoch über der Bühne, bedrohlich als kauernder Beobachter, mal als Zauberer, der dem Publikum kleine Tricks vorführt und von Petras gekonnt als Verführer in Szene gesetzt wird.
Beim finalen Akt werden die sorgsam ausgelegten Steinplatten zerstört und die immer wieder zurechtgerückte Ordnung im System wird aufgebrochen. Die ganze Bühne liegt in Trümmern. Chaos ist der Anfang und das Ende.
Marcelus Lachhein